Challenge auf dem Circuit HTTT Paul Ricard, Le Castellet (F), 28. - 30.07.2006
Natürlich muss man sich fragen ob es wirklich Spaß macht in Südfrankreich in der "haute saison" Ende Juli auf 800 Höhenmetern und bei 37 Grad Außentemperatur Autorennen zu fahren. Vorab ein klares ja, denn der Circuit Paul Ricard und seine ganze Anlage ist einfach traumhaft. Wer jemals die Möglichkeit hat dort mit seinem Auto über die Mistral od. durch die "double droit" der "Le Beausset" zu fliegen der weiß um die Bedeutung des "Racing is life".
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1962 hatte der Pastis König Paul Ricard eine große Idee und verwirklichte den Bau eines kleinen Flughafens auf einem 1000 ha großen Hochplateau. Direkt daneben baute er 1970 seine eigene Rennstrecke und wenn Du heute mit Deinem Renner in der Startaufstellung stehst, kommt auf dem Rollfeld 250 m neben Dir gerade eine von diesen supergeilen Dassault Falcon 7X Jets zum Stückpreis von 40 Mio. Dollar herunter. Für denjenigen der sich so einen komfortablen Jet nicht leisten kann dem muss eine TBM 850 von EADS für 2,5 Mio. Dollar genügen - so ergeht es leider vielen meiner Schweizer Fahrerkollegen. Nun ja ich kam zwar auch mit dem Flieger, aber leider nur Linienflug Iberia und auch nicht auf den Flughafen von Le Castellet, sondern nur bis Nizza und von dort mit dem Leihwagen über 170 km nach Paul Ricard.
Nachdem die Rennstrecke ein bisschen in die Jahre gekommen war, kaufte sich im Jahre 1990 die Excelis Company das ganze Areal und baute zusätzlich gegenüber dem Haupteingang eines der luxuriösesten Hotels die Europa zu bieten hat. Wer wissen möchte wem die Excelis gehört - es ist niemand anderes als Bernie Eccelstone persönlich. Die ganze Anlage, welche im Übrigen von außen uneinsehbar ist, kann aufgrund des milden Klimas ganzjährig für Tests genutzt werden, was die gesamte F1 auch zu schätzen weiß. Allein die Anlage in und um die Rennstrecke herum kann man sicherlich weltweit als einmalig bezeichnen. Luxus pur und alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wart Ihr jemals in klimatisierten Boxen mit schalldichten Lounges und Badezimmern untergebracht? Habt Ihr schon mal auf Tribünen das Rennen aus Clubsesseln verfolgt? Nein - dann kommt nach Paul Ricard. Nach 24 Uhr darf sich im Fahrerlager niemand mehr aufhalten, sonst sorgt Bernie´s Security dafür, dass Dies eingehalten wird. Unsere Trucker und Helfer waren einen Tag damit beschäftigt Unterkünfte zu finden, was während der "grandes vacances" in Frankreich nicht so einfach ist. Danke noch mal an G2 Racing/CH für die Überlassung des Wohnmobils. Wir Fahrer und unsere Mechaniker wohnten in Le Castellet od. in umliegenden Dörfern - die gesamte Gegend ist einfach traumhaft.
Die Rennstrecke ist so ausgelegt, das in verschiedenen Kursen gefahren werden kann. Wir fuhren die "solution 3C", einen 3,841 km langen Kurs. Dies entspricht etwa 60% der verfügbaren Strecke. Die Bezeichnung HTTT Paul Ricard, steht für "high tech test track", mit anderen Worten: Du kannst abfliegen, aber niemals einschlagen. Blaue und rote Streifen in den Auslaufzonen mit unterschiedlichen Teerstrukturen sorgen dafür. Erreichst Du bei Deinem Abflug die rote Zone, ruinierst Du Dir aufgrund des extrem rauen Teerbelags gleichzeitig auch noch Deine Slicks. Allerdings kann man im Markenpokal und gerade in der Ferrari Challenge sein Auto auch noch anders ramponieren, dafür sorgen dann Deine Konkurrenten im Rennen - aber dazu später mehr.
Unsere französischen Konkurrenten kannten natürlich jeden Winkel dieser Strecke und lagen nach dem 60minütigem freiem Training erwartungsgemäß vorne. Wir deutschen Fahrer waren nach 60 Minuten schon mal so weit, dass wir wussten wo es langgeht und wo wir auf jeden Fall gegenüber den Franzosen Zeit liegen ließen. Nach dem 30minütigem Qualifying fand ich mich für Race I mit einer 1.37.4 auf P17 von 33 Startern wieder. Eine Sekunde schneller hätte P6 bedeutet, aber diese 1 Sekunde zu finden ist bei nur 1 Std. freiem Fahren einfach schier unmöglich. Oliver Mathai war in seiner Carrera Cup Zeit hier gefahren und erklärte mir, dass in der ersten Spitzkehre nach Start und Ziel immer nur ein Auto durchpasst - er sollte Recht behalten.
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Race I Samstag, 14.40 Uhr: Das ist die Zeit wo der Mistral Wind über das Plateau bläst und die Temperatur auf unglaubliche 34 Grad absinken lässt. Du sitzt im Auto mit Deiner feuerfesten Unterwäsche, Deinem Helm und Handschuhen und bereits nach der Einführungsrunde bis Du reif für die Kühlbox. Nach ca. 35 Minuten hatte ich mich nach heftigem Kampf mit zwei Engländern bis auf P8 vorgearbeitet, als in der Spitzkehre nach der Start- und Zielgeraden einer der beiden von hinten ungebremst in meine rechte Seite einschlug. Man muss dazu sagen, dass ich bereits aus der Kurve wieder raus beschleunigte und der gute Geoff Farmer einfach den Bremspunkt verpasst hatte und innen außerhalb der Strecke durch die Kehre schoss. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt genau an dem Teil der Strecke, an dem er wieder auf die Piste zurück fand. Beendet hab ich das Rennen immerhin noch auf P14 und mit einer Beifahrertür die irgendwie in meinem Käfig hing. Hinten schliff die Karosse am Slick, aber in der 3. Saison Ferrari Challenge fährst Du erst einmal weiter und lässt Dir dann über Funk von Deiner Box beim Vorbeifahren sagen, ob es noch geht oder Du besser abbrechen solltest. In diesem Fall hatte Heinz, unser Mann am Funk irgendwie komisch geklungen? Ich sollte weiter fahren. Nach dem Rennen zerrten mich beim Aussteigen alle weg von Auto, als ich mir meine rechte Seite ansah wusste ich warum - das Auto war fällig für die besten Karosseriebauer und die gibt es bekanntlich nur in Maranello. Vom hinteren Seitenteil bis zum vorderen Kotflügel passte gar nichts mehr.
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Die Engländer kamen auch sofort rüber und wollten mir ihren Fahrer schicken, ich dagegen fand es besser für sein weiteres Leben, dass er mir die nächste Stunde erst einmal nicht begegnen würde. Na ja, irgendwann kam er dann mit seiner Frau und entschuldigte sich für den Unfall. Sportlich gesehen und so muss man es handhaben war es damit erledigt. Erledigt hatte sich auch das Ergebnis, P14 ist irgendwie nicht weiter erwähnenswert.
Über Nacht hat es unsere Crew von Lueg sportivo mit unendlich vielem roten Tape und einigen Schweißnähten geschafft, das ich am Sonntag wieder starten konnte. Natürlich hatten sich auch die Engländer mit Ihrer Bodywork-Truppe angeboten über Nacht den Job zu machen, aber wir kamen auch ohne sie klar. Die Nacht verbrachte ich mit wenig Schlaf. In Rennen I hatte es außer meiner "kleinen" Beule, direkt nach dem Start einen schlimmen Unfall gegeben. Zwei Autos wurden total zerstört. So lag ich wach und musste daran denken, das ich im morgigen Rennen nur noch eine funktionsfähige Tür hatte und womöglich diese auch noch beschädigt würde und ich dann in einem brennenden Auto verrecke. Dann denkst Du darüber nach, ob das alles so einen Sinn macht oder ob Du nicht vielleicht doch besser einfach mit dem Racing aufhörst, aber was willst Du machen wenn Du ein Racer bist? Richtig - endlich einschlafen, am nächsten Morgen aufwachen, frühstücken und nur an eines denken - wie fahre ich das Ding nach vorn.
Im Qualifying für Race II schaffte ich eine 1.36.9 und den 18. Startplatz von 33 Startern, eine Zeit unter den ersten 10 konnte ich nicht erreichen.
Race II am Sonntag beendete ich nach großem Kampf auf P9. Natürlich fuhr in einer Spitzkehre noch einmal ein Spanier leicht in die sowieso total zerbeulte rechte Seite - diesmal konnte ich nur noch Lachen. Verstehen werde ich das allerdings nie! Vielleicht brauche ich ja noch eine weitere Saison um dieses Verständnis aufzubringen. Das Rennen selbst war, wie schon am Vortag, eine gewaltige Hitzeschlacht und ein 50minütiger Kampf um von P18 bis nach P9 zu fahren. Diesmal ging es bis auf den Spanier fair ab und um weiter als P9 nach vorne zu kommen müsste einfach mehr Training in Paul Ricard absolviert werden. Nach der Mistralgeraden (Gegengerade) kommt eine blinde Rechts die Du im fünften Gang eigentlich voll fahren musst - ein wenig lupfen gegen Ende der 50 Minuten hilft und Du kannst Dein Rennen auch beenden. Anschließend eine nicht endende Doppel-Rechts die Anfangs im 4. und am Ende im 3. Gang durchflogen wird. Gegen Ende des Rennens waren es die Reifen, die bei diesen Temperaturen abbauten und für so manchen die Entscheidung brachten. Vor mir lagen noch 5 Franzosen und ganz vorne Dennis Hübner (Ferrari Ulrich und Baron Service, Wien) der das Rennen gewann. Dennis fährt sowieso in einer anderen Welt und hat es wirklich drauf.
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Mein Auto ging noch von Paul Ricard aus nach Maranello zum Karosseriebau und sieht heute wieder so aus wie es sich für einen Lueg Challenge Racer gehört - nämlich immer ready for race und faltenfrei. Paul Ricard bleibt mir trotzdem in guter Erinnerung und wenn es sich ergibt werde ich im Feb./Mrz. nächsten Jahres dort testen gehen.
Keep on racing
Holger Harmsen